Gigafabrik ohne Gigavisionskraft?
Wie SAP sich aus der Verantwortung stiehlt – und was das über den Zustand der deutschen Tech-Industrie verrät
Wie SAP sich aus der Verantwortung stiehlt – und was das über den Zustand der deutschen Tech-Industrie verrät
Wie SAP sich aus der Verantwortung stiehlt – und was das über den Zustand der deutschen Tech-Industrie verrät
Am 21. Juni 2025 veröffentlichte der Tagesspiegel einen Artikel mit dem Titel „Deutsche Konzerne uneins – kein gemeinsames Angebot für KI-Gigafabrik". Er beschreibt ein Vorhaben der EU-Kommission, das eigentlich Grund zur Aufbruchsstimmung sein könnte: Bis zu sechs sogenannte „KI-Gigafactories" sollen entstehen – also leistungsstarke Rechenzentren, auf denen künftig europäische Modelle für Künstliche Intelligenz trainiert werden können. Eine dieser Fabriken soll nach Deutschland kommen. Und die EU zeigt sich großzügig: Mit bis zu 35 Prozent sollen die Milliardenkosten öffentlich gefördert werden.
„Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel, um Europa wettbewerbsfähiger, sicherer und technologisch souveräner zu machen", wird EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen im Artikel zitiert. Im Klartext: Es geht hier nicht nur um Serverleistung. Es geht um den strategischen Unterbau für die digitale Unabhängigkeit Europas – vergleichbar mit Infrastrukturprojekten aus früheren industriellen Revolutionen.
Mehrere große deutsche Unternehmen wollten sich für den Bau einer solchen Gigafabrik bewerben. Darunter: Deutsche Telekom, IONOS (der Cloud-Ableger von United Internet) und die IT-Tochter der Schwarz-Gruppe (Lidl/Kaufland). Was aufhorchen lässt: Diese Konzerne treten nicht gemeinsam auf – sondern in Konkurrenz. Die Frist zur Interessensbekundung läuft heute, am 21. Juni, ab.
Doch das eigentlich Erschreckende steht im letzten Drittel des Artikels. Dort heißt es lapidar:
„Der Softwarekonzern SAP wird sich an dem Projekt nicht beteiligen. ‚Wir sind bei der Interessensbekundung erst einmal außen vor’, sagte eine SAP-Sprecherin. Man sehe sich vorrangig in der Rolle als Softwarelieferant, und auch bei der Nutzung der KI-Fabrik habe SAP keinen großen Bedarf."
Kein Interesse. Kein Engagement. Kein Wille zur Mitgestaltung. SAP – der einstige Hoffnungsträger der europäischen IT – zieht sich aus einem strategischen Zukunftsprojekt einfach zurück. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem Europa händeringend nach technologischer Souveränität sucht.
Was hier passiert, ist keine Nebensächlichkeit. Es ist ein Paradebeispiel dafür, warum Europa beim Thema Digitalisierung den Anschluss verliert. Die EU hat verstanden, worum es geht – und liefert. Infrastruktur, Förderung, politischer Wille. Doch Deutschlands größter Softwarekonzern sagt: Kein Bedarf.
Das ist mehr als eine vertane Chance. Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die seit Jahren für mehr digitale Eigenständigkeit kämpfen.
SAP hätte – gerade mit seiner Marktmacht, Expertise und Nähe zur Industrie – eine zentrale Rolle spielen können. Als Plattform, als Integrator, als Taktgeber. Stattdessen duckt man sich weg. Und zwar nicht aus technischer Notwendigkeit, sondern aus strategischem Desinteresse.
Was sagt das über den Zustand unserer Tech-Industrie? Über Selbstverständnis, Verantwortung und langfristige Ambition?
Europa braucht keine Lippenbekenntnisse zu digitaler Souveränität. Europa braucht Akteure, die bereit sind, sich an der digitalen Infrastruktur der Zukunft zu beteiligen. Nicht nur durch Forderungen – sondern durch Taten.
SAP hätte ein Teil der Lösung sein können. Jetzt ist es Teil des Problems. Während andere europäische Unternehmen wie IONOS echte digitale Souveränität vorantreiben und auf europäische Cloud-Infrastruktur setzen, verpasst SAP die Chance, Verantwortung zu übernehmen.
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