Delos Cloud vs. Stackit Workspace – Wölfe im Schafspelz
Fabian Peter 7 Minuten Lesezeit

Delos Cloud vs. Stackit Workspace – Wölfe im Schafspelz

Die Diskussion um digitale Souveränität in Deutschland und Europa ist in vollem Gange. Kaum ein anderes Thema wird derzeit so stark von Politik, Verwaltung und Wirtschaft gleichermaßen getrieben. Die Forderung ist klar: Europa soll unabhängiger werden, insbesondere von den großen amerikanischen Hyperscalern – also AWS, Microsoft Azure und Google Cloud.
delos-cloud stackit-workspace digitale-sovereignitaet cloud-compliance europaeische-cloud-loesungen daten-schutz cloud-akt sovereignty

Delos Cloud vs. Stackit Workspace – Wölfe im Schafspelz

Die Diskussion um digitale Souveränität in Deutschland und Europa ist in vollem Gange. Kaum ein anderes Thema wird derzeit so stark von Politik, Verwaltung und Wirtschaft gleichermaßen getrieben. Die Forderung ist klar: Europa soll unabhängiger werden, insbesondere von den großen amerikanischen Hyperscalern – also AWS, Microsoft Azure und Google Cloud.

Doch während der Begriff „Souveränität" in der öffentlichen Kommunikation an Gewicht gewinnt, verliert er an Substanz. Die Schlagworte klingen nach Kontrolle, Eigenständigkeit und Datenschutz. Die Realität sieht oft anders aus.

Zwei prominente Beispiele verdeutlichen das besonders gut: Delos Cloud und Stackit Workspace. Beide werden als „souveräne Alternativen" zu den bekannten Cloud- und Kollaborationsdiensten aus den USA vermarktet. Beide richten sich gezielt an die öffentliche Verwaltung, Behörden und Unternehmen mit hohen Compliance -Anforderungen. Und beide suggerieren, eine europäische, vertrauenswürdige Lösung zu bieten.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch: Diese Angebote sind Rebrands – technisch und strukturell eng an die ursprünglichen US-Plattformen gebunden. Was auf den ersten Blick wie ein souveränes Produkt aussieht, ist in Wahrheit ein Lizenz- und Integrationsmodell, das dieselben proprietären Abhängigkeiten fortsetzt, die Europa eigentlich überwinden wollte.

Der politische Druck wächst – und schafft schnelle Antworten

Die Motivation hinter diesen Initiativen ist nachvollziehbar. Seit dem Ende des Privacy Shield-Abkommens zwischen der EU und den USA herrscht Rechtsunsicherheit, was den Datentransfer über den Atlantik betrifft. Hinzu kommt der Cloud Act, der US-Behörden unter bestimmten Umständen Zugriff auf Daten amerikanischer Unternehmen gewährt – auch dann, wenn diese Daten in Europa gespeichert sind.

Für Behörden und öffentliche Einrichtungen bedeutet das ein Dilemma: Sie benötigen moderne, kollaborative Werkzeuge und skalierbare Infrastrukturen, dürfen ihre Daten aber nicht ohne weiteres außerhalb europäischer Hoheitszonen verarbeiten. Gleichzeitig fehlt es in Europa an gleichwertigen Alternativen, die denselben Funktionsumfang und dieselbe Benutzerfreundlichkeit bieten wie die Dienste der Hyperscaler.

In dieser Gemengelage entstehen Angebote wie Delos Cloud und Stackit Workspace. Sie versprechen, das Beste aus zwei Welten zu vereinen: die technologische Reife amerikanischer Plattformen und die rechtliche Sicherheit europäischer Standorte. Ein verständlicher Ansatz – aber einer mit konstruktiven Schwächen.

Delos Cloud – die „deutsche Azure"

Delos Cloud ist eine Tochtergesellschaft der SAP. Das Projekt wird in enger Partnerschaft mit Microsoft betrieben. Ziel ist es, den Public-Sector-Kunden in Deutschland – insbesondere Bund, Länder und Kommunen – eine „souveräne Microsoft-Cloud" anzubieten.

Das Versprechen lautet: dieselbe Technologie wie Azure, aber auf deutschem Boden, betrieben von einer europäischen Gesellschaft unter deutschem Recht. In der Theorie klingt das nach einem eleganten Ausweg.

In der Praxis jedoch behält Microsoft die Kontrolle. Die Cloud wird mit Azure-Technologie betrieben, die Verwaltungsoberflächen, APIs und Management-Tools stammen aus Redmond. Der Quellcode, die Software-Architektur und die Update-Mechanismen liegen weiterhin in amerikanischer Hand. Selbst wenn physische Server in Deutschland stehen, bleibt die Software-US-hoheitlich.

Der entscheidende Punkt: Microsoft ist ein US-Unternehmen – und damit unterliegt es dem US Cloud Act. Dieser verpflichtet US-Firmen, auf Anfrage von US-Behörden Daten bereitzustellen, die sie „kontrollieren", unabhängig vom Speicherort. Delos Cloud mag also rechtlich in Deutschland verankert sein, technisch jedoch ist die Datenhoheit weiterhin von einem amerikanischen Anbieter abhängig.

Das bedeutet: Keine echte Souveränität, sondern juristische Akrobatik.

Stackit Workspace – die „deutsche Google Suite"

Ähnlich verhält es sich mit Stackit Workspace, einem Angebot der Schwarz IT Group, die auch den Cloud-Provider Stackit betreibt. Stackit Workspace basiert auf Google Workspace – allerdings unter einem Lizenz- und Betriebsmodell, das den Anschein erweckt, man habe eine europäische Alternative geschaffen.

Die Kommunikation ist geschickt: Stackit positioniert sich als Partner für „digitale Selbstbestimmung" und spricht von einem „souveränen Arbeitsplatz in der Cloud". Doch wie bei Delos Cloud bleibt auch hier die Realität hinter den Schlagworten zurück.

Google liefert die Software, kontrolliert die Weiterentwicklung und hat – zumindest technisch – die Möglichkeit, auf sämtliche Daten zuzugreifen. Auch hier gilt: Die Architektur ist nicht europäisch, sondern amerikanisch.

Man kann es vergleichen mit einem Fernsehsender, der deutsche Versionen amerikanischer Shows produziert. Der Titel ist lokalisiert, das Format ist eingedeutscht, die Produktionsrechte liegen aber weiterhin in Hollywood.

Stackit Workspace und Delos Cloud sind somit nicht Ausdruck europäischer Souveränität, sondern ihr Gegenteil: eine formaljuristische Übersetzung amerikanischer Plattformlogik in europäische Vertriebsmodelle.

Der gefährliche Komfort der bekannten Marken

Die Beliebtheit solcher Angebote liegt nicht nur in ihrer Technologie, sondern auch im psychologischen Effekt. Behörden und Unternehmen, die bereits an Microsoft oder Google gewöhnt sind, müssen ihre Prozesse, ihre Oberflächen und ihre Schulungen kaum ändern.

Das vermittelt Sicherheit – aber es ist die Sicherheit der Gewohnheit. Man bleibt im selben Ökosystem, mit denselben Lizenzstrukturen, denselben Abhängigkeiten und denselben Risiken.

Echte Unabhängigkeit ist unbequem. Sie erfordert, neue Wege zu gehen, neue Tools zu lernen und bestehende Routinen zu hinterfragen. Aber genau das ist der Preis für Souveränität.

Was Souveränität wirklich bedeutet

Digitale Souveränität ist kein Marketingbegriff, sondern ein Architekturprinzip. Sie bedeutet, dass eine Organisation jederzeit in der Lage ist, ihre Daten, Systeme und Workloads unabhängig zu betreiben, zu verschieben oder zu replizieren – ohne Einwirkung oder Genehmigung Dritter.

Das setzt drei Dinge voraus:

  1. Transparenz über Technologie – offene Schnittstellen, nachvollziehbare Software, dokumentierte Prozesse.
  2. Kontrolle über Betrieb – die Möglichkeit, Infrastruktur selbst zu verwalten oder den Betreiber zu wechseln.
  3. Portabilität von Daten und Workloads – technische Standards, die Migration ermöglichen.

Keine dieser drei Voraussetzungen wird durch Delos Cloud oder Stackit Workspace erfüllt. Beide sind proprietäre Ökosysteme, deren Architektur dem Kunden nicht gehört, sondern nur temporär lizenziert ist.

Die europäische Alternative existiert längst

Europa muss keine „eigenen Hyperscaler" erfinden, um souverän zu sein. Die Technologie dafür existiert längst – sie ist offen, standardisiert und weit verbreitet.

Mit Kubernetes steht ein universeller Standard für Container -Orchestrierung zur Verfügung, der von nahezu allen Cloud-Anbietern unterstützt wird. Kubernetes abstrahiert Infrastruktur – es macht Anwendungen portabel, unabhängig vom physischen Standort oder Anbieter.

Darauf aufbauend können souveräne Plattformen entstehen, die genau das leisten, was Delos Cloud und Stackit nur versprechen: echte Kontrolle über Daten und Systeme.

ayedo und Loopback – Souveränität durch Architektur, nicht durch Rhetorik

Mit Loopback, dem Managed Kubernetes-Angebot von ayedo, können Unternehmen und Behörden ihre Workloads auf beliebigen europäischen Cloud-Anbietern betreiben – dynamisch, sicher und unabhängig.

Loopback ist kein Rebrand einer US-Technologie, sondern eine eigenständige, auf offenen Standards basierende Plattform. Sie abstrahiert Infrastruktur und erlaubt es, Container-Workloads dort zu betreiben, wo sie hingehören – ob bei Plusserver, IONOS, Scaleway, Exoscale oder im eigenen Rechenzentrum.

Gleichzeitig unterstützt ayedo den Betrieb souveräner Open-Source-Anwendungen, darunter:

Das ist kein theoretisches Konstrukt, sondern eine funktionierende Architektur.

Kubernetes als Betriebssystem, Loopback als Orchestrierungsebene, Open-Source-Anwendungen als souveräne Werkzeuge.

Warum offene Standards der bessere Schutz sind

Souveränität ist kein Zustand, den man vertraglich festschreibt – sie entsteht durch technische Gestaltung.

Offene Standards verhindern Abhängigkeiten, weil sie Austausch ermöglichen. Proprietäre Systeme verhindern Austausch, weil sie Abhängigkeit erzeugen.

Delos Cloud und Stackit Workspace sind Beispiele für zweitere Kategorie. Sie ersetzen keine Hyperscaler, sie erweitern sie nur – mit deutschem Etikett, aber derselben DNA.

Ein souveräner Weg für Europa besteht nicht darin, US-Produkte lokal zu labeln, sondern in der konsequenten Nutzung offener Technologien. Nur so entsteht Kontrolle, Transparenz und langfristige Unabhängigkeit.

Fazit: Souveränität lässt sich nicht einkaufen

Die öffentliche Verwaltung in Deutschland steht vor einer entscheidenden Wahl. Sie kann den vermeintlich einfachen Weg gehen und weiter auf die „souveränen" Clouds amerikanischer Hersteller setzen – mit bekanntem Komfort, aber anhaltender Abhängigkeit. Oder sie kann den anspruchsvolleren, aber nachhaltigeren Weg wählen: Souveränität durch offene Standards, modulare Architekturen und europäische Technologiepartner.

Delos Cloud und Stackit Workspace sind Wölfe im Schafspelz. Sie versprechen Sicherheit, bieten aber nur Nähe – und Nähe ist keine Kontrolle.

ayedo und Loopback stehen für den Gegenentwurf: Architektur statt Marketing, offene Systeme statt versiegelter Blackboxes, technische Souveränität statt politischer Symbolik.

Die Zukunft europäischer IT liegt nicht in neuen Marken, sondern in neuen Modellen – in denen Unternehmen und Behörden die Hoheit über ihre Systeme behalten, anstatt sie neu zu delegieren.

Souveränität entsteht nicht durch Besitz, sondern durch die Fähigkeit, frei zu handeln.

Ähnliche Artikel