Weekly Backlog KW 50/2025
Katrin Peter 5 Minuten Lesezeit

Weekly Backlog KW 50/2025

Es gibt Wochen, in denen Tech nicht nur Schlagzeilen produziert, sondern tektonische Verschiebungen. Open Source verliert wichtige Standbeine, Hyperscaler machen ihre Abhängigkeit erstmals richtig teuer, kritische Infrastruktur zeigt wiederholt Risse – und während Europa sicherheitspolitisch aufwacht, setzt Washington Technologie offen als geopolitisches Druckmittel ein.\nKurz gesagt: Die nächsten Jahre werden weniger von Tools geprägt sein als von Machtfragen.
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🧠 Editorial

Es gibt Wochen, in denen Tech nicht nur Schlagzeilen produziert, sondern tektonische Verschiebungen. Open Source verliert wichtige Standbeine, Hyperscaler machen ihre Abhängigkeit erstmals richtig teuer, kritische Infrastruktur zeigt wiederholt Risse – und während Europa sicherheitspolitisch aufwacht, setzt Washington Technologie offen als geopolitisches Druckmittel ein. Kurz gesagt: Die nächsten Jahre werden weniger von Tools geprägt sein als von Machtfragen.


🚨 Die Tech-News der Woche


MinIO stellt Community Edition ein – ein weiterer Riss im Open-Source-Fundament

MinIO verabschiedet seine Community Edition in den Maintenance Mode: keine aktiven Features mehr, Security-Fixes nur noch im Ausnahmefall. Für ein Projekt, das seit Jahren als quasi-Standard im On-Prem-S3-Segment gilt, ist das ein harter Einschnitt.

Vor allem aber zeigt sich erneut ein Trend, der sich kaum noch ignorieren lässt: Viele OSS-Projekte waren lange de facto Marketing-Assets kommerzieller Anbieter. Solange „Adoption" zählte, war Open Source ein Wachstumstreiber. Sobald Monetarisierung wichtiger wird, fällt die offene Variante hinten runter. Bitnami, Elastic, HashiCorp – und jetzt MinIO. Die Liste wächst, und sie erzählt von einem Ökosystem, das wirtschaftlich nicht mehr dieselben Spielregeln hat wie vor fünf Jahren.

Forks wie „LibreIO" klingen sympathisch, doch ein nachhaltiger Fork entsteht nicht aus Empörung, sondern aus langfristigem Commitment – und das ist selten. Realistisch sollten Teams sich die bekannten Alternativen ansehen: Garage, SeaweedFS, Rook/Ceph oder modernere Rust-basierte Projekte.

Wer MinIO produktiv einsetzt, hat keinen Grund zur Panik. Aber sehr wohl Grund zur Planung.

Links: 🔗 https://github.com/minio/minio 🔗 https://github.com/minio/minio/commit/27742d469462e1561c776f88ca7a1f26816d69e2


Microsofts Preisschock 2026 – Lock-in bekommt jetzt einen Preisschild

Ab 1. Juli 2026 werden Microsoft-365-Produkte global deutlich teurer: +16,7 % für Business Basic, +12 % für Business Standard, über +30 % für manche Frontline-Tarife. Schon zuvor wurden Volumenrabatte gestrichen und On-Premises-Kunden verteuert. Das ist keine zufällige Häufung. Das ist der Endpunkt einer jahrelangen Strategie: erst Abhängigkeiten vertiefen, dann Preise anziehen.

Dass Microsoft diesen Schritt so offensiv geht, zeigt vor allem eines: Der Konzern hat seine Marktstellung so weit gefestigt, dass selbst deutliche Verteuerungen kaum Risiken bergen. Für Behörden wie Unternehmen wird das zum Problem – nicht, weil Microsoft teuer wird, sondern weil Alternativen nie politisch und wirtschaftlich aufgebaut wurden.

Europa predigt digitale Souveränität, während es gleichzeitig seine digitale Grundversorgung an einen einzigen Anbieter bindet. Die Rechnung dieses Widerspruchs wird jetzt präsentiert.

Links: 🔗 https://www.microsoft.com/en-us/microsoft-365/blog/2025/12/04/advancing-microsoft-365-new-capabilities-and-pricing-update/ 🔗 https://www.reuters.com/business/microsoft-lift-productivity-suite-prices-businesses-governments-2025-12-04/?utm_source=chatgpt.com


NIS-2 in Kraft – und plötzlich stehen 29.500 Organisationen unter Cyber-Aufsicht

Seit 5. Dezember 2025 gilt die nationale Umsetzung von NIS-2. Statt bislang rund 4.500 Organisationen stehen nun 29.500 Einrichtungen unter direkter Aufsicht des BSI – darunter erstmals zahlreiche Bundesbehörden, kommunale IT-Dienstleister und mittelständische Unternehmen.

Drei Pflichten greifen sofort: Registrierung, Meldung erheblicher Sicherheitsvorfälle und ein dokumentiertes Risikomanagement. Für die Bundesverwaltung kommt verpflichtender IT-Grundschutz hinzu.

Damit endet die Phase, in der Informationssicherheit als „IT-Thema" betrachtet wurde. NIS-2 verschiebt Verantwortung in die Breite – dorthin, wo in den letzten Jahren zwar Risiko war, aber kaum Regulierung. Viele Organisationen werden jetzt feststellen, dass ihre Sicherheitsprozesse nicht nur verbessert werden müssen, sondern überhaupt erst definiert.

Link: 🔗 https://www.linkedin.com/posts/bsibund_nis-2-umsetzungsgesetz-ab-morgen-in-kraft-activity-7402612559377281025-v0ic


Cloudflare zum zweiten Mal in kurzer Zeit offline – die Monokultur rächt sich

Erneut ein globaler Ausfall bei Cloudflare: HTTP-500-Fehler, ausgefallene Webseiten, teils sogar eine defekte Cloudflare-Startseite. Der zweite große Incident innerhalb weniger Wochen – diesmal angeblich ausgelöst durch API-Probleme.

Der konkrete Fehler ist nebensächlich. Entscheidend ist, wie tief Cloudflare inzwischen in die digitale Infrastruktur eingebettet ist. Ein US-Dienstleister hat eine Störung – und plötzlich wackelt in Europa der Onlinehandel, Medienportale, SaaS-Produkte und öffentliche Kommunikation. Das ist kein technisches Problem. Das ist Marktkonzentration.

So lange Unternehmen reflexartig Cloudflare einsetzen, während leistungsfähige europäische Alternativen ungenutzt bleiben, wird Europa abhängig bleiben – und verwundbar. Redundanz ist kein Komfortfeature mehr, sondern eine Frage digitaler Resilienz.

Link: 🔗 https://www.heise.de/news/Weltweites-CDN-Offenbar-wieder-Stoerung-bei-Cloudflare-11103942.html


US-Sicherheitsstrategie: Technologie als geopolitische Währung

Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA formuliert zum ersten Mal offen, dass Technologiezugang politisch konditioniert wird. „More favorable treatment" sollen jene Staaten erhalten, die sich sicherheitspolitisch stärker an den Kurs Washingtons anlehnen.

Parallel werden europäische Regulierungen als Eingriffe in demokratische Grundprinzipien dargestellt. Das schafft einen argumentativen Rahmen, der Europa schwächt und gleichzeitig die US-Position stärkt: ein Europa, das angeblich seine Demokratie gefährdet, kann kaum glaubwürdig technologische Eigenständigkeit beanspruchen.

Die eigentliche Brisanz liegt in der Kombination: Europa wird erst rhetorisch delegitimiert, dann technologisch unter Druck gesetzt. Ein Kontinent, dessen digitale Kerninfrastruktur weitgehend von US-Clouds abhängt, hat politisch wenig Verhandlungsspielraum. Genau darauf zielt die Strategie ab.

Links: 🔗 https://www.handelsblatt.com/politik/international/usa-das-sind-die-fuer-europa-wichtigsten-teile-der-us-sicherheitsstrategie/100181919.html 🔗 https://www.n-tv.de/politik/Trumps-Sicherheitspapier-gleicht-Kampfansage-an-Europa-id30112539.html


🎙 Podcast der Woche

Sascha Pallenberg über das Verbrenner-Narrativ – und die Industriepolitik, die nicht vom Fleck kommt

Pallenberg seziert den Begriff „hocheffiziente Verbrenner", der politisch gern als Ausrede benutzt wird, um Entscheidungen aufzuschieben. Während deutsche Politik über hypothetische Wunderantriebe debattiert, liefern chinesische Hersteller handfeste Effizienzsprünge – und entlarven die Erzählung von der „Technologieoffenheit" als das, was sie oft ist: ein Placebo für politische Mutlosigkeit.

Besonders bitter: Historisch gibt es längst bessere Lösungen. Der Lohner-Porsche-Radnabenmotor erreichte 1900 bereits 83 % Wirkungsgrad – weit jenseits aktueller „Hocheffizienz"-Rhetorik. Diese Diskrepanz zwischen Erzählung und Realität ist der Kern des Podcasts – und der Grund, warum er mehr ist als ein Rant, nämlich eine industriepolitische Inventur.

Link: 🔗 https://share.transistor.fm/s/5f004af4


📝 Blogposts der Woche

Cloud-Brokering statt souveränem Etikett – von Fabian Peter

Fabian beschreibt präzise, was die Souveränitätsdebatte in Europa seit Jahren verfehlt: Labels schaffen keine Handlungshoheit. Architektur tut es. Arbeitsteilig betreibbare Workloads, austauschbare Infrastruktur und ein Broker-Modell, das Hyperscaler und europäische Anbieter gleichermaßen nutzbar hält – das ist strategische Souveränität.

Solange europäische Projekte auf juristische Konstrukte setzen statt auf technische Austauschbarkeit, bleibt Souveränität Wunschdenken.

Link: 🔗 https://ayedo.de/posts/cloud-brokering-fur-echte-souveranitat/


Das Gutachten, das die Bundes-Cloud-Strategie entlarvt – von Alexander Fuchs

Das Rechtsgutachten bestätigt eindeutig: US-Behörden haben weitreichende Zugriffsrechte – auch auf Daten, die physisch in Europa liegen. Damit kollidiert praktisch jedes große Cloud-Projekt der öffentlichen Hand mit der Realität des US-Rechts. DELOS Cloud, Microsoft 365 im Staatsdienst, Google-Kooperationen – all das basiert auf Annahmen, die juristisch nicht halten.

Fuchs zeigt sauber, wie groß die Lücke zwischen politischer Kommunikation und tatsächlicher Rechtslage geworden ist. Wer nach diesem Gutachten noch behauptet, US-Clouds ließen sich „souverän" betreiben, argumentiert nicht technisch und nicht rechtlich – sondern rein politisch.

Link: 🔗 https://administrator.de/info/rechtsgutachten-us-cloud-datenzugriff-676079.html


📚 Buch-Tipp

“The Four” von Scott Galloway

Galloway legt offen, warum Amazon, Apple, Google und Facebook nicht einfach Technologiekonzerne sind, sondern Machtstrukturen, die Wirtschaft, Politik und Gesellschaft prägen. Ein Buch, das hilft, die aktuelle Dynamik einzuordnen – gerade in einer Zeit, in der Tech wieder mehr geopolitisches Werkzeug als Innovationsmotor ist.


Meme der Woche:

vielen Dank fürs einsenden Philipp Joos

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