Transatlantischer Zugriff auf biometrische Daten: Uneinigkeit unter EU-Mitgliedstaaten
Katrin Peter 3 Minuten Lesezeit

Transatlantischer Zugriff auf biometrische Daten: Uneinigkeit unter EU-Mitgliedstaaten

Die US-Regierung fordert seit mehreren Jahren ein umfassendes Abkommen zum Zugriff auf biometrische Polizeidaten aus Europa. Grundlage ist die geplante „Enhanced Border Security Partnership" (EBSP), die für alle 43 Staaten des amerikanischen Visa-Waiver-Programms gelten soll. Wer bis Ende 2026 kein entsprechendes Abkommen unterzeichnet, riskiert den Verlust der visafreien Einreise in die USA.
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Transatlantischer Zugriff auf biometrische Daten: Uneinigkeit unter EU-Mitgliedstaaten

Die US-Regierung fordert seit mehreren Jahren ein umfassendes Abkommen zum Zugriff auf biometrische Polizeidaten aus Europa. Grundlage ist die geplante „Enhanced Border Security Partnership" (EBSP), die für alle 43 Staaten des amerikanischen Visa-Waiver-Programms gelten soll. Wer bis Ende 2026 kein entsprechendes Abkommen unterzeichnet, riskiert den Verlust der visafreien Einreise in die USA.

Ein von der NGO Statewatch veröffentlichtes Ratsdokument zeigt nun, wie unterschiedlich die EU-Mitglieder die US-Forderungen bewerten. Die Mehrheit der Staaten signalisiert grundsätzliche Bereitschaft zu Verhandlungen, fordert aber klare Bedingungen und Begrenzungen. Die Spannbreite reicht von strikter Ablehnung eines US-Direktzugriffs bis hin zu weitreichender Offenheit für automatisierte Abfragen.

Position Deutschlands und weiterer EU-Staaten

Deutschland unterstützt ein EU-weites Rahmenabkommen, lehnt jedoch einen direkten Zugriff US-amerikanischer Behörden auf nationale oder europäische Datenbanken ab. Stattdessen plädiert die Bundesregierung für ein „Treffer/Kein-Treffer"-Verfahren nach dem Vorbild des Prüm-Vertrags. Dieses Modell sieht eine mehrstufige Prüfung durch nationale Stellen vor, bevor Daten im Einzelfall herausgegeben werden. Deutschland fordert zudem verbindliche Löschregelungen und einen geschlossenen europäischen Verhandlungsansatz, um bilaterale Alleingänge einzelner Staaten zu verhindern.

Frankreich, Italien, Österreich und die Niederlande vertreten ähnliche Positionen. Sie verlangen, den Anwendungsbereich klar auf Grenz- und Visaverfahren zu beschränken. Frankreich warnt vor einer Ausweitung auf nationale Strafverfolgung und fordert grundsätzlich eine manuelle Prüfung jeder Datenübermittlung.

Befürworter weitergehender Kooperation

Dem gegenüber stehen mehrere osteuropäische Staaten sowie die baltischen Länder. Sie sind grundsätzlich offen für direkte oder automatisierte US-Abfragen, sofern Datenschutzgarantien und Gegenseitigkeit gewährleistet werden. Litauen bringt zusätzlich die Möglichkeit ins Spiel, Künstliche Intelligenz für automatisierte Verarbeitungsprozesse zu regeln – ein Vorschlag, den andere Staaten strikt ablehnen.

Österreich weist in seinen Kommentaren darüber hinaus darauf hin, dass die USA vorrangig an EU-Informationssystemen wie dem Visa-Informationssystem (VIS), dem gemeinsamen biometrischen Abgleichsystem (sBMS) oder dem Gemeinsamen Identitätsspeicher (CIR) interessiert sein könnten. Daraus leitet Wien Überlegungen ab, den Zugang zu diesen EU-Systemen als Teil einer „operationell vorteilhaften Lösung" anzubieten.

Sonderrolle Irlands

Irland, das nicht Teil des Schengen-Raums ist, betont die sicherheitspolitische Relevanz des Datenaustauschs über reine Grenz- und Visathemen hinaus. Die Regierung in Dublin warnt vor operativen Schwierigkeiten, sollte das Land von EU-Verhandlungen ausgeschlossen werden und später ein rein bilaterales Abkommen mit den USA schließen müssen. Dies könne mittelbar den eigenen Status im Visa-Waiver-Programm gefährden.

Kritik am Zeitplan und Kompetenzfragen

Mehrere Staaten – darunter Österreich, die Niederlande und Estland – halten den von Washington gesetzten Zeitplan bis Ende 2026 für unrealistisch. Ungarn fordert, dass die EU geschlossen reagieren müsse, falls die USA einzelne Mitgliedstaaten im Visa-Waiver-Status beschränken.

Frankreich stellt zudem die Einschätzung der EU-Kommission infrage, wonach ein EBSP-Rahmenabkommen ausschließlich in EU-Zuständigkeit liege. Der Zugriff auf nationale Datenbanken berühre nationale Kompetenzen und könne nicht allein von Brüssel verhandelt werden.

Fazit

Das Ratsdokument macht deutlich, dass die EU vor einer komplexen Verhandlungsphase steht. Zwischen Datenschutz, transatlantischer Kooperation und geopolitischem Druck liegen erhebliche Differenzen. Ob ein EU-weit abgestimmtes Verhandlungsmandat zustande kommt und wie ein mögliches Abkommen ausgestaltet wird, bleibt offen. Ebenso ungeklärt ist, ob Washington auf seine Forderung nach einem direkten, möglichst automatisierten Zugriff auf europäische biometrische Daten besteht – oder ob ein abgestuftes Modell nach europäischem Vorbild akzeptiert wird.

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