Transatlantische Illusion – Wie Europa sich zum Daten- und Investitionslieferanten macht

Der Jubel über den jüngsten „Deal" zwischen der EU und Donald Trump wirkt wie eine makabre Inszenierung. Während Brüssel sich öffentlich für „Planungssicherheit in unsicheren Zeiten" feiert, verlagern sich die realen Machtverhältnisse weiter gen Westen – wirtschaftlich, technologisch, politisch. Man spricht von Partnerschaft, aber gemeint ist Unterwerfung.

Meta: Katrin Peter · 30.07.2025 · ⏳ 3 Minuten · Alle Blogs →

Der Jubel über den jüngsten „Deal" zwischen der EU und Donald Trump wirkt wie eine makabre Inszenierung. Während Brüssel sich öffentlich für „Planungssicherheit in unsicheren Zeiten" feiert, verlagern sich die realen Machtverhältnisse weiter gen Westen – wirtschaftlich, technologisch, politisch. Man spricht von Partnerschaft, aber gemeint ist Unterwerfung.

1. Wirtschaftlich: Der Stahl wird verzollt, die Milliarden fließen

Ein kurzer Blick auf die Zahlen reicht, um die Schlagseite zu erkennen: 750 Milliarden Euro verpflichten die Europäer sich, in US-Energie zu investieren – also LNG, Öl und Uran. Dazu kommen weitere 600 Milliarden Euro, die ausgerechnet in die US-Wirtschaft fließen sollen, statt in unsere marode Infrastruktur oder digitale Souveränität. Gleichzeitig müssen europäische Exporte in die USA künftig mit 15 Prozent Zoll belegt werden – mit wenigen Ausnahmen. Für deutschen Stahl bleiben die 50 Prozent Strafzölle bestehen. Der „Erfolg" dieses Deals besteht also darin, dass Trump seine ursprüngliche Drohung von 30 Prozent pauschalem Zoll auf alles auf 15 Prozent reduziert hat. Ein fauler Deal, der Arbeitsplätze kostet und Produktionsstandorte gefährdet.

Quelle: [dpa / heise.de Zusammenfassung des Handelsabkommens, Juli 2025]

2. Politisch: Erpressbarkeit als Verhandlungsstrategie

Warum hat die EU diesen Vertrag unterschrieben? Nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst. Angst vor wirtschaftlicher Eskalation. Angst, dass Trump im Gegenzug die NATO-Beistandspflicht infrage stellt oder die Ukraine hängen lässt. Solche Drohkulissen waren offenbar genug, um die EU-Vertreter auf einen Handel einzulassen, der einseitig Vorteile für die USA schafft und Europa zum Kapitalgeber macht – ohne Mitsprache, ohne Gleichgewicht. Aus einem gleichberechtigten Bündnis ist ein Tribut-System geworden.

3. Technologisch: Datenhoheit längst aufgegeben

Während Europa seine Industrie kaputtsubventioniert und gleichzeitig Investitionen in die USA zusagt, läuft in der Digitalpolitik das gleiche Muster ab. Die jüngste Entscheidung der Europäischen Kommission, ihre Microsoft-365-Nutzung nun angeblich datenschutzkonform umgestellt zu haben, ist ein weiteres Lehrstück über Realitätsverweigerung. Ja, man habe nun „Zweckbindung" definiert und „Vertragszusätze" eingeführt, um dem Cloud Act zu entgehen. Doch kein Vertragskonstrukt der Welt ändert den Fakt, dass Microsoft als US-Unternehmen dem Cloud Act unterliegt. Amerikanische Behörden können bei begründetem Interesse jederzeit Zugriff auf die in Microsoft-Clouds gespeicherten Daten verlangen – selbst wenn diese physisch in Europa liegen. Der Cloud Act macht diese Realität unmissverständlich klar.

Quelle: [EDPS Press Release, 11. Juli 2025 – „European Commission brings Microsoft 365 into compliance"]

Die Vorstellung, man könne durch bloße Vertragsparagraphen ein extraterritoriales Gesetz wie den US CLOUD Act neutralisieren, ist gefährlich naiv. Dass der European Data Protection Supervisor diesen Zustand nun als „gemeinsamen Erfolg" verkauft, sagt mehr über das Machtverhältnis zwischen Brüssel und Redmond als über tatsächliche Souveränität.

4. Strategisch: Eine gefährliche Abhängigkeit

Palantir, Microsoft, Google – die großen Aufträge gehen nach Übersee. Nicht, weil es keine europäischen Alternativen gäbe, sondern weil man sich nie ernsthaft um sie bemüht hat. Statt in den Aufbau eigener Strukturen zu investieren, wirft man sensible Daten und digitale Infrastruktur freiwillig über den Atlantik. Währenddessen erhöht die USA die Zölle, diktiert Energiepolitik und treibt uns wirtschaftlich weiter in die Defensive. Die Frage ist nicht mehr, ob die USA ein verlässlicher Partner sind. Die Frage ist, wie lange wir uns diesen Deal noch leisten können – finanziell, politisch, datenschutzrechtlich.


Fazit:

Man kann nicht gleichzeitig wirtschaftliche Unabhängigkeit fordern, aber strategische Schlüsselbereiche wie Energie, Software und Dateninfrastruktur an die USA auslagern. Europäische Cloud-Alternativen bieten hier einen Ausweg aus der Abhängigkeit. Dieser „Deal" ist keine Stabilisierung. Er ist ein Offenbarungseid – und ein weiterer Beleg dafür, dass Europa seine eigene Rolle längst vergessen hat. Wer heute noch glaubt, Washington verhandle fair, hat das Wesen von Machtpolitik nicht verstanden. Und wer glaubt, unsere Daten seien in US-Clouds sicher, sollte sich dringend mit dem Cloud Act beschäftigen – und mit der Realität, dass Verträge nie mächtiger sind als Interessen.

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