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Die europäische Debatte um „souveräne KI" wird oft auf die Ebene von Regulierung, Datenschutz und gesellschaftlicher Akzeptanz reduziert. Was dabei gerne übersehen wird: Souveränität in Künstlicher Intelligenz entscheidet sich nicht nur an Algorithmen oder Modellen, sondern ganz wesentlich an der Lieferkette der zugrundeliegenden Hardware. Ohne Chips, ohne GPUs, ohne die notwendige Infrastruktur ist jede Vision einer europäischen KI-Souveränität nicht mehr als eine akademische Übung. In diesem Beitrag möchte ich die realen Engpässe aufzeigen, die Europa auf diesem Weg blockieren, und gleichzeitig die Handlungsräume benennen, die bleiben. Es wird kein romantisches Plädoyer für Autarkie, sondern eine nüchterne Analyse von Abhängigkeiten, Marktmechanismen und industriepolitischen Optionen.
Um GPUs herzustellen, braucht es modernste Halbleiter-Fertigungstechnologien. Diese basieren wiederum auf Maschinen für Extreme Ultraviolet Lithography (EUV). Fakt ist: Diese Maschinen kommen ausschließlich von einem Unternehmen – ASML in den Niederlanden. Ohne ASML keine modernen GPUs, keine 3nm- oder 5nm-Chips, keine Beschleuniger für Large Language Models. Die Abhängigkeit ist extrem: Weltweit gibt es genau eine Firma, die diese Maschinen baut. Jede GPU, die für KI-Training eingesetzt wird, geht im Kern auf die Lieferfähigkeit eines europäischen Unternehmens zurück.
Klingt gut für Europa? Auf den ersten Blick ja, denn damit liegt ein Teil der Wertschöpfung in Europa. Auf den zweiten Blick bedeutet es jedoch auch eine enorme Verwundbarkeit. ASML liefert global, die USA und Asien sind Hauptabnehmer. Die Produktionskapazität von ASML-Maschinen ist limitiert, und die Nachfrage übersteigt seit Jahren das Angebot. Europa hat zwar den Schlüssel zur Tür in der Hand – aber es stehen viele Käufer Schlange.
Selbst wenn die Maschinen existieren, limitiert ihre geringe Stückzahl die globale Fertigungskapazität. Jede Produktionslinie für GPUs ist von diesen hochkomplexen Anlagen abhängig. Die Folge: Nur eine Handvoll Foundries (TSMC, Samsung, Intel) kann überhaupt GPUs auf diesem Niveau fertigen. Für Europa bedeutet das: Der Zugang zu GPUs wird nicht nur durch politische Fragen bestimmt, sondern schlicht durch Produktionskapazität. Wer früh bucht, bekommt die Lieferungen. Wer wartet, geht leer aus.
Hardware ist das eine. Software das andere. Der entscheidende Hebel für den Erfolg von NVIDIA liegt nicht nur in ihren GPUs, sondern in CUDA – der proprietären Programmierschnittstelle, die die parallele Nutzung von GPUs für Machine Learning effizient macht. CUDA ist optimiert, hochperformant und vor allem: patentgeschützt. Das heißt: Selbst wenn eine andere Firma GPUs baut, bleibt deren Software-Ökosystem weit hinter dem von NVIDIA zurück. AMD (AMD ROCm), Intel OneAPI oder kleinere Player haben zwar Hardware-Alternativen, doch für zeitaktuelle KI-Tasks (Transformer-Modelle, LLMs, generative Modelle) sind sie schlicht weniger performant oder nicht so breit unterstützt.
Für Startups, Forschung und Unternehmen heißt das: Man kann kaum an NVIDIA vorbei. Wer souveräne KI will, hängt in diesem Moment am Gängelband eines US-Unternehmens.
Ein weiteres Problem: Export-Restriktionen. 2023 verhängte die US-Regierung zeitweise Exportverbote für NVIDIA-Karten nach China und in andere Märkte. Europa war zwar nicht betroffen, aber die Botschaft war klar: Wenn Washington entscheidet, dass strategische Interessen Vorrang haben, kann die Versorgungslinie für GPUs jederzeit unterbrochen oder eingeschränkt werden. Inzwischen sind die Restriktionen teilweise aufgehoben, aber das Risiko bleibt. Europa baut seine KI-Infrastruktur auf Sand, solange es keine eigene Handlungsfähigkeit in der Hardware-Beschaffung aufbaut.
Noch ein weniger beachtetes Detail: Selbst wenn man an NVIDIA-GPUs kommt, darf man sie nicht beliebig nutzen. Gaming-GPUs, die günstiger und teilweise ausreichend leistungsfähig sind, dürfen per Lizenzbedingungen (EULA) nicht im Rechenzentrum eingesetzt werden. NVIDIA unterscheidet strikt zwischen Consumer-Karten und Enterprise-Hardware. Wer ein Geschäftsmodell im Bereich KI aufbauen will, muss auf Enterprise-Karten wie A100 oder H100 setzen – und diese liegen preislich und in der Verfügbarkeit in völlig anderen Sphären. Für europäische Startups oder mittelständische Unternehmen ist das eine faktische Zugangsbeschränkung.
Ein unterschätztes Problem: Selbst wenn die Hardware verfügbar wäre, fehlt in Europa die Rechenzentrums- und Stromkapazität für GPUs im großen Stil. KI-Training auf H100- oder A100-Skalierung braucht Rechenzentren, die auf Power Density, Kühlung und Energieversorgung ausgelegt sind. Europa hinkt hier deutlich hinterher. Während Hyperscaler in den USA und China gigantische GPU-Farmen hochziehen, wird in Europa über Strompreise, Netzausbau und Standortgenehmigungen diskutiert. Ohne massiv beschleunigte Infrastrukturpolitik bleibt Europa auf Dauer abhängig von externen Clouds.
Das größte praktische Hindernis: Zuschläge für GPUs werden Jahre im Voraus vergeben. Meta, Microsoft, Google und Apple sichern sich Milliardenvolumen an NVIDIA-Karten durch langfristige Verträge. Wer heute als europäisches Unternehmen eine GPU-Flotte bestellen will, muss damit rechnen, erst in zwei bis drei Jahren beliefert zu werden – und das auch nur, wenn man genug Kapital für Milliarden-Vorbestellungen aufbringen kann. Für kleinere Akteure, Startups oder öffentliche Institutionen ist das ein unüberwindbares Hindernis. Der Markt ist faktisch vorreserviert.
Die bittere Wahrheit: Europa wird kurzfristig keinen vollständig souveränen Competitor zu NVIDIA, OpenAI oder den Hyperscalern aufbauen. Dazu fehlen sowohl die Produktionskapazitäten als auch die Marktmacht. Stattdessen wird es auf Kompromisse hinauslaufen: Lösungen, die auf Technologie aus dem Ausland basieren, aber mit europäischer Governance, Transparenz und Infrastruktur kombiniert werden. Souveränität bedeutet in diesem Kontext nicht Autarkie, sondern gestaltbare Abhängigkeit.
Europa muss also zwei Dinge parallel tun:
Statt in einer Illusion vollständiger Autarkie zu verharren, sollte Europa seine Ressourcen gezielt einsetzen:
Souveräne KI in Europa ist kein Wunschtraum, aber auch kein Projekt für romantische Autarkie-Ideen. Die Realität heißt: Wir bleiben abhängig – von ASML, von NVIDIA, von TSMC, von geopolitischen Entscheidungen in Washington und Taipei. Die Kunst liegt darin, diese Abhängigkeiten strategisch zu managen, statt sie zu verdrängen.
Europa muss lernen, dass technologische Souveränität nicht schwarz-weiß ist. Sie entsteht durch eine Balance aus Kooperation und Eigenständigkeit. Wer darauf wartet, dass der Kontinent eines Tages seine eigene komplette GPU- und KI-Industrie von Null aufbaut, wird scheitern. Wer aber die vorhandenen Stärken – von ASML über Open Source bis zur europäischen Cloud-Landschaft – klug nutzt, kann zumindest eine souveräne Verhandlungsposition erreichen.
Die Frage ist also nicht: Kann Europa eine eigene NVIDIA bauen? – sondern: Wie schaffen wir es, trotz Abhängigkeiten handlungsfähig zu bleiben?
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