Bayerns Digitalstrategie: Mia san Microsoft
Katrin Peter 3 Minuten Lesezeit

Bayerns Digitalstrategie: Mia san Microsoft

Mit der neuen Digitalstrategie möchte Bayern Staat und Kommunen technologisch enger verzahnen, IT-Sicherheitsrisiken reduzieren und eine einheitliche digitale Infrastruktur aufbauen. Im Zentrum stehen eine zentrale IT-Architektur, eine stärkere Rolle des Landesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) und eine Neuordnung der kommunalen IT-Landschaft. Doch der Entwurf zeigt vor allem eines: Eine strategische Zurückhaltung gegenüber europäischer Technologie – verbunden mit einem hohen Vertrauen in amerikanische Plattformanbieter.
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Bayerns Digitalstrategie: Mia san Microsoft

Mit der neuen Digitalstrategie möchte Bayern Staat und Kommunen technologisch enger verzahnen, IT-Sicherheitsrisiken reduzieren und eine einheitliche digitale Infrastruktur aufbauen. Im Zentrum stehen eine zentrale IT-Architektur, eine stärkere Rolle des Landesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) und eine Neuordnung der kommunalen IT-Landschaft. Doch der Entwurf zeigt vor allem eines: Eine strategische Zurückhaltung gegenüber europäischer Technologie – verbunden mit einem hohen Vertrauen in amerikanische Plattformanbieter.

Zentralisierung als Sicherheitsversprechen

Ausgangspunkt der Strategie ist ein reales Problem: Viele bayerische Kommunen kämpfen mit veralteten Systemen, knappen IT-Ressourcen und zunehmenden Cyberangriffen. Die Idee einer zentralen Betriebsstruktur erscheint daher nachvollziehbar. Die AKDB soll zu einem landesweiten IT-Dienstleister weiterentwickelt werden, ergänzt durch ein Cloud-Modell, das Daten abhängig vom Schutzbedarf in Landesrechenzentren, bei deutschen Anbietern wie Ionos oder Telekom Cloud sowie bei internationalen Hyperscalern verarbeitet.

Diese mehrstufige Architektur soll Effizienz, Sicherheit und Skalierbarkeit vereinen. Gleichzeitig entsteht damit ein Modell, in dem europäische und staatliche Anbieter zwar vorkommen, aber nicht die tragende Rolle übernehmen. Die operative Infrastruktur orientiert sich am Markt – und der Markt wird nach wie vor von US-Plattformen dominiert.

Proprietäre Software als „wirtschaftliche" Lösung

Die Begründung des bayerischen Finanzministeriums für den bevorzugten Einsatz proprietärer Software folgt einem bekannten Muster: Lösungen „von der Stange" seien günstiger, schneller einführbar und leichter zu betreiben. Open-Source-Modelle dagegen bräuchten „mehr eigenes Personal" und ließen sich nicht allein auf Community-Strukturen stützen.

Diese Argumentation blendet wesentliche Aspekte aus. Open Source setzt Unabhängigkeit voraus, aber keine Selbstentwicklung kompletter Systeme. Europa verfügt über starke Anbieter im Cloud- , Security- und Verwaltungsbereich, die langfristig stabilere Kostenstrukturen und strategische Kontrolle bieten. Die wiederkehrenden Lizenzsteigerungen proprietärer Produkte – wie bei Esri oder den Microsoft-Enterprise-Lizenzen – zeigen, wie schnell vermeintliche Kostenvorteile kippen können.

Der in der Digitalstrategie zitierte Preisvergleich zwischen Dataport OpenDesk und Microsoft 365 ist dafür exemplarisch: Ein Blick auf Listenpreise sagt wenig über Folgekosten, Bindungseffekte oder den Aufwand künftiger Migrationen aus.

Datenschutz: ein Balanceakt mit engem Korridor

Bayern verweist darauf, dass eine Zusatzvereinbarung mit Microsoft geprüft und genehmigt wurde. Das ist ein notwendiger Schritt – aber einer, der nicht über die strukturelle Abhängigkeit hinwegtäuscht. Wenn zentrale Verwaltungsprozesse maßgeblich über proprietäre Ökosysteme laufen, wird Datenschutz zu einem Thema, das sich immer innerhalb der technischen Rahmenbedingungen eines Anbieters bewegt. Die Gestaltungsspielräume des Landes bleiben begrenzt.

KI-Strategie: Investitionen mit widersprüchlicher Zielrichtung

Positiv hervorzuheben ist der Aufbau einer eigenen KI-Infrastruktur mit dedizierten GPUs im staatlichen Umfeld. Damit erkennt Bayern an, dass sensible Daten besser im eigenen Einflussbereich verarbeitet werden sollten. Gleichzeitig basieren zentrale generative KI-Dienste weiterhin auf OpenAI innerhalb der Azure-Cloud. Das konterkariert das Ziel einer souveränen Datenhaltung und verschiebt kritische Wertschöpfung erneut zu internationalen Plattformen.

Ein europäischer Blick fehlt

Die Digitalstrategie Bayerns nimmt Herausforderungen ernst, priorisiert Sicherheit und versucht, überfällige Strukturen zu modernisieren. Doch sie verfehlt eine Chance: den konsequenten Aufbau einer souveränen, europäischen Verwaltungs-IT. Der eingeschlagene Weg führt zu einer stärkeren Zentralisierung – aber nicht zu mehr Unabhängigkeit. Wo Europa eigene Kompetenzen stärken könnte, übernimmt Bayern vor allem bestehende Angebote globaler Technologieanbieter.

Digitalisierung wird so zur Betriebspflege internationaler Plattformen, statt zur Entwicklung eigener technologischer Handlungsspielräume. Die Frage, wie Bayern langfristig digitale Souveränität sichern will, bleibt offen.

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