OpenAI for Germany – Digitale Souveränität mit Azure im Fundament?
Katrin Peter 3 Minuten Lesezeit

OpenAI for Germany – Digitale Souveränität mit Azure im Fundament?

Am 24. September 2025 verkündeten SAP und OpenAI eine neue Partnerschaft: OpenAI for Germany. Ziel sei es, Künstliche Intelligenz „made for Germany" in den öffentlichen Sektor zu bringen – verantwortungsvoll, rechtskonform und souverän. Getragen wird das Projekt von SAP, betrieben über deren Tochterfirma Delos Cloud – auf technischer Basis von Microsoft Azure.
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Titel: OpenAI for Germany – Digitale Souveränität mit Azure im Fundament?

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Am 24. September 2025 verkündeten SAP und OpenAI eine neue Partnerschaft: OpenAI for Germany. Ziel sei es, Künstliche Intelligenz „made for Germany" in den öffentlichen Sektor zu bringen – verantwortungsvoll, rechtskonform und souverän. Getragen wird das Projekt von SAP, betrieben über deren Tochterfirma Delos Cloud – auf technischer Basis von Microsoft Azure.

Auf den ersten Blick: ein Fortschritt. Auf den zweiten: ein Widerspruch.

Denn wenn unter dem Etikett „Souveränität" eine kritische Infrastruktur auf einer US-Plattform betrieben wird, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie souverän kann dieses System überhaupt sein?

Die Architektur hinter dem Label

Laut Pressemitteilung wollen SAP und OpenAI gemeinsam KI-Lösungen entwickeln, die speziell auf die Anforderungen des deutschen öffentlichen Sektors ausgerichtet sind. Es geht um Dinge wie automatisierte Verwaltung, datengetriebene Analyse, Prozessoptimierung – kurz: den digitalen Umbau des Staatsbetriebs. Ein ambitioniertes Vorhaben, das dringend notwendige Impulse setzen könnte.

Das Problem liegt jedoch im Fundament: Delos Cloud als Betreiberin der Infrastruktur stützt sich auf Microsoft Azure. Damit basiert die technische Plattform auf einem US-Cloudanbieter, der unter den Regelungen des U.S. Cloud Act und anderer extraterritorialer Gesetze steht. Auch wenn Daten physisch in Deutschland gehostet werden, bleiben sie rechtlich nicht zwingend dort geschützt.

Die Behauptung, hier handele es sich um eine „souveräne" Lösung, wird dadurch zumindest relativiert – wenn nicht entkräftet.

Souveränität ist kein Frontend-Feature

Souveränität bedeutet, unabhängig und eigenverantwortlich handeln zu können. In der digitalen Welt heißt das konkret: Kontrolle über Infrastruktur, Datenflüsse, Schnittstellen, Standards und Zugriffsebenen. Wenn eine europäische Lösung von Beginn an auf einer Plattform basiert, die außerhalb unserer legislativen Kontrolle steht, ist sie von externer Einflussnahme nicht frei – egal wie viele Schutzmechanismen oder Zertifikate eingebaut werden.

Die Argumentation, dass Microsoft Azure „nach europäischen Standards" betrieben werde, blendet systemische Risiken aus. Denn in letzter Konsequenz zählt nicht, wie vertrauenswürdig der Anbieter auf dem Papier ist, sondern wie robust die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen sind, unter denen er operiert.

Strategische Technologiepolitik oder symbolisches Vertrauen?

Die Bundesregierung hat sich ambitionierte Ziele gesetzt: Bis 2030 soll Künstliche Intelligenz bis zu 10 % des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Dafür braucht es leistungsfähige Plattformen, verlässliche Partner und ein starkes Ökosystem. Aber eben auch: eine tragfähige Strategie zur digitalen Selbstbestimmung.

Dass wir aktuell keine europäische Alternative auf Augenhöhe haben, ist keine technische Notwendigkeit, sondern das Ergebnis verpasster industriepolitischer Entscheidungen der letzten zwei Jahrzehnte. Statt eigene Strukturen systematisch aufzubauen, wurde auf „die Großen" gesetzt – schnell, skalierbar, bewährt. Der Preis dafür ist eine strukturelle Abhängigkeit, die sich durch jedes neue Projekt verfestigt.

Wo bleibt die europäische Antwort?

Die europäische Antwort auf solche Entwicklungen kann nicht darin bestehen, bestehende Hyperscaler mit lokalen Labels zu versehen. Sie muss darin bestehen, eigene Infrastruktur konsequent auszubauen, zu fördern und im öffentlichen Bereich verbindlich zu nutzen.

SAP hätte hier die Chance, mit Delos Cloud eine wirklich unabhängige Plattform zu etablieren – nicht nur „betrieben von SAP", sondern auch technologisch kontrolliert und in Europa verankert. Doch solange das Fundament Azure heißt, bleibt „OpenAI for Germany" ein Fortschritt mit Sternchen – kein echter Kurswechsel.

Fazit

Der Zusammenschluss von SAP, OpenAI und Microsoft zur Einführung „souveräner KI" für den öffentlichen Sektor ist ein wichtiges Signal – aber auch ein Lehrstück über die Komplexität digitaler Abhängigkeiten. Souveränität beginnt nicht beim Branding, sondern bei der Infrastruktur. Sie erfordert Kontrolle, Verlässlichkeit und eine langfristige Strategie jenseits kurzfristiger Skalierungsvorteile.

Es liegt an der Politik – und an der europäischen Wirtschaft –, diese Frage endlich konsequent zu beantworten: Wollen wir technologische Souveränität wirklich – oder reicht uns das Gefühl davon?

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