US-Druck auf die EU: Verwässert Brüssel den Digital Markets Act?

Die Europäische Union feierte sich selbst als Pionierin in der Regulierung digitaler Plattformen. Mit dem Digital Markets Act (DMA) wollte sie ein Zeichen setzen: Gegen marktbeherrschende Tech-Konzerne, für mehr Wettbewerb, Datenkontrolle und Transparenz. Der DMA trat im März 2024 in Kraft – doch kaum ein Jahr später steht genau diese europäische Regulierung offenbar zur Disposition. Und zwar nicht etwa aus Brüssel selbst, sondern aus Washington.

Meta: Katrin Peter · 08.07.2025 · ⏳ 4 Minuten · Alle Blogs →

Die Europäische Union feierte sich selbst als Pionierin in der Regulierung digitaler Plattformen. Mit dem Digital Markets Act (DMA) wollte sie ein Zeichen setzen: Gegen marktbeherrschende Tech-Konzerne, für mehr Wettbewerb, Datenkontrolle und Transparenz. Der DMA trat im März 2024 in Kraft – doch kaum ein Jahr später steht genau diese europäische Regulierung offenbar zur Disposition. Und zwar nicht etwa aus Brüssel selbst, sondern aus Washington.

Was ist passiert?

Wie die Süddeutsche Zeitung und das Handelsblatt berichten, verhandelt die EU-Kommission im Rahmen eines neuen transatlantischen Handelsabkommens mit den USA nicht nur über Zölle, sondern auch über die Umsetzung des DMA. Laut übereinstimmenden Quellen soll es Überlegungen geben, die Regeln „flexibler" anzuwenden – sogar ein gemeinsamer Ausschuss wird diskutiert, in dem die USA Einfluss auf die Anwendung europäischer Gesetze nehmen könnten.

Das wäre nicht weniger als ein Präzedenzfall. Ein Drittstaat, der über die konkrete Auslegung eines europäischen Gesetzes mitbestimmen darf? Und das bei einem Gesetz, das exakt auf US-Unternehmen wie Apple, Meta, Google, Amazon und Microsoft abzielt?

Die Illusion des Dialogs

Natürlich existiert bereits ein Dialog zwischen EU-Institutionen und den betroffenen Konzernen – etwa im Rahmen der sogenannten „Stakeholder Workshops", die der DMA selbst vorsieht. Doch dort geht es um Transparenz und technische Umsetzbarkeit, nicht um politische Einflussnahme.

Wenn nun aber Gerüchte die Runde machen, dass Lobbyist:innen in Brüssel wieder einmal erfolgreicher agieren als demokratische Kontrolle, dann stellt sich eine grundsätzliche Frage: Ist Europa willens, seine eigenen Regeln gegen wirtschaftlichen Druck zu verteidigen?

Die Financial Times bringt es auf den Punkt: Der DMA ist das „weltweit wirksamste Instrument zur Eindämmung des monopolistischen Alleingangs von US Big Tech". Und genau deshalb wird er von US-Konzernen und deren Lobbyverbänden als „anti-amerikanisch" gebrandmarkt. Diese Rhetorik verfängt – offenbar auch bei Teilen der EU-Kommission.

Europäische Unternehmen schlagen Alarm

Mehrere Start-up-Verbände und mittelständische Tech-Unternehmen haben sich inzwischen in offenen Briefen zu Wort gemeldet – unter anderem an Bundeskanzler Friedrich Merz und an die Kommission in Brüssel. Ihre Forderung: Keine Sonderregelungen. Kein Rückzug. Keine Deals mit Plattformmonopolisten.

Denn der DMA ist aus ihrer Sicht nicht nur ein Gesetz – er ist ein Versprechen. Ein Versprechen darauf, dass Marktzugang, Datenportabilität, Interoperabilität und faire Bedingungen nicht nur im Grundsatz existieren, sondern durchgesetzt werden.

Wenn dieses Versprechen gebrochen wird, drohen nicht nur politische Glaubwürdigkeitsverluste. Es geht auch um harte ökonomische Konsequenzen: Die Dominanz weniger US-Plattformen im Adtech-Markt führt dazu, dass 75 % der digitalen Werbebudgets allein in Deutschland an Google, Meta und Amazon fließen – der Rest des Ökosystems hat das Nachsehen.

Der DMA sollte das ändern. Wenn er aufgeweicht wird, bleibt davon nicht mehr viel übrig.

Brüssel wiegelt ab – aber reicht das?

Offiziell gibt sich die Kommission gelassen. Es gebe keine Pläne, den DMA zu ändern oder zu relativieren. Auch Exekutiv-Vizepräsidentin Henna Virkkunen betonte gegenüber dem Guardian bereits im Frühjahr, man werde den Druck aus Washington nicht nachgeben.

Aber wie glaubhaft ist das, wenn parallel über neue “Kooperationsformate” diskutiert wird, in denen ausgerechnet jene Konzerne mitreden sollen, deren Geschäftsmodelle gerade reguliert werden?

Selbst wenn keine formellen Änderungen beschlossen werden, ist das politische Signal fatal: Wenn ein Gesetz, das einst mit großem Pathos als Bollwerk gegen digitale Monopole vorgestellt wurde, hinter verschlossenen Türen verhandelbar wird, dann hat Europa sein regulatorisches Rückgrat verloren.

Warum wir uns keine Illusionen machen dürfen

Big Tech ist kein europäischer Partner – es ist ein globaler Machtfaktor. Diese Konzerne agieren nicht im Geiste fairer Wettbewerbsordnung, sondern als wirtschaftspolitische Akteure mit geopolitischem Gewicht.

Sie spielen nicht mit – sie dominieren. Und sie haben ein klares Interesse daran, Regeln, die sie betreffen, zu verhandeln, zu verzögern oder in ihr eigenes System zu überführen.

Wenn Europa sich diesem Spiel beugt, statt eigene Maßstäbe zu setzen, dann verliert es nicht nur die Kontrolle über seine Märkte, sondern auch über seine digitale Souveränität.

Was jetzt zu tun ist

Die europäische Digitalpolitik steht an einem Wendepunkt. Es reicht nicht mehr, Verordnungen zu erlassen – sie müssen auch verteidigt werden. Gegen den Lobbydruck. Gegen wirtschaftliche Drohkulissen. Gegen die Erzählung, Regulierung sei innovationsfeindlich.

Denn das Gegenteil ist der Fall: Ohne faire Bedingungen gibt es keine Innovation, sondern nur Monopolverwaltung.

Die EU muss klarstellen: Der DMA ist nicht verhandelbar. Weder in Brüssel, noch in Washington.

Die Abhängigkeit von US-Technologie zeigt sich auch beim kommenden Support-Ende für Windows 10, das deutschen Unternehmen vor ähnliche Herausforderungen stellt. Und genau deshalb erleben wir aktuell den digitalen Ausverkauf Europas, dem nur durch konsequente Regulierung und europäische Alternativen entgegengewirkt werden kann.

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